Heute vor einem Jahr war einer der schlimmsten Tage meines Lebens. Erst jetzt begreife ich in voller Tragweite, dass in diesem zwar völlig anderen weltlichen Geschehen, dennoch die gleiche Energie floss, wie vor über 30 Jahren, am Todestag meines lieben Mannes Thomas. Ich weiß, das klingt fast unglaublich.
Ich möchte dies in einer Metapher deutlicher machen: Wenn ein Arm aus diversen Gründen amputiert werden muss, dann ist das schrecklich, aber die Wunde kann in einem Krankenhaus ärztlich gut versorgt werden, denn es ist ein sauberer Schnitt, der wieder heilt und nach einer Weile lernt man, mit dem anderen Arm alles zu können, was vorher zwei geleistet haben. Verliert man seinen Arm aber durch eine Explosion, so wird er abgerissen, Schmutz dringt in die Wunde ein, alles ist zerfetzt, blutig, ohne Betäubung und es bedarf einer langen Zeit, bis es heilt. Große Schmerzen, Infektionen und vielleicht mehrere Operationen sind auszuhalten, ebenso wie die Ungewissheit ob es überhaupt jemals heilen kann. Es ist also nicht immer nur die Situation maßgeblich, sondern das Gefühl dahinter. Und das Geschehen wird für immer ein Teil des Lebens bleiben, es wird sich nicht verdrängen und vergessen lassen. Beide Geschehnisse in meinem Leben waren wie eine Explosion.
Nun ist ein Jahr vergangen und ich sehe diesen Tag mit anderen Augen, denn mit Abstand betrachtet, war es eine große Befreiung und ich habe mich mehr oder weniger heldenhaft davor bewahrt, mich selbst zu verlieren. Es ist durch die Explosion zwar etwas von mir abgerissen worden, aber ich durfte erkennen, dass dies in Wahrheit nie zu mir gehört hat. Es war nur eine Hülle, eine Täuschung, Schein. Auch bin ich stolz darauf, an diesem Tag und allen Tagen danach, handlungsfähig geblieben zu sein, nicht ohnmächtig und hilflos, trotz massiver Ängste. Für Außenstehende mag es so aussehen, als hätte ich mich von einem Menschen getrennt und befreit, der mir nicht mehr guttat, das stimmt auch, aber es war so viel mehr. Ich habe mich gleichermaßen von einer Version meiner selbst befreit, die mit mir, meinem wahren Kern nicht übereinstimmte und das war die Maske einer unzufriedenen, depressiven Frau, die nicht den Mut hatte rechtzeitig zu gehen, die Demütigungen resigniert hinnahm, sich selbst belog und das durch einen großen Mangel an Selbstfürsorge, der alles mitbestimmte. Ich habe das ganze Jahr gebraucht, um in der Tiefe zu erkennen, was ich mir da über die letzten Jahre erschaffen und selbst angetan habe. Es war Verrat an mir selbst und dieser spiegelte sich massiv im Außen.
Ich möchte mit Euch auch zum Reflektieren etwas teilen. Dies ist natürlich unerlässlich, nur in der richtigen Reihenfolge und solange man nicht etwas damit deckelt, nämlich die Emotionen, die gerade da sind. Ich nenne sie mal Groll, Wut, Urteil und Schmerz. Wenn ich diese nicht durchfühle, wenn sie nicht da sein dürfen in voller Bandbreite, dann nützt das ganze Reflektieren nichts, weil es nur auf mentaler Ebene stattfindet und die emotionale Ebene wieder verdrängt wird. Zu der Aussage: „Du musst bei Dir selbst schauen und nicht den anderen verurteilen!“, sage ich natürlich ein klares JA, aber erst, wenn ich mit dem, was genauso da ist, fertig bin. Oder im Wechsel. Alles andere ist Scheinheiligkeit und Unterdrückung. Ich habe das diesmal alles ausgelebt und bin sicher, dass ich dafür einige Wertungen einstecken durfte hinter meinem Rücken, aber das macht nichts, denn es war mein Weg und zeigt insofern Sinn, weil es wirklich eines Tages durchfühlt ist, nicht ständig wieder aufflackert und so mein weiteres Leben unangenehm berührt.
Nun jedoch, möchte ich mich statt auf die Wunde, besonders auf die Wunder fokussieren, die seitdem geschehen sind und die große Dankbarkeit, immer zutiefst beschützt gewesen zu sein. Besonders von einer Seele, die als Mensch einmal Thomas hieß. Er, der mich nicht nur in seiner einst verkörperten Form, sondern nun auch so lange über seinen physischen Tod hinaus wahrhaftig und bedingungslos liebt, der mir immer noch ganz klare, unübersehbare Zeichen und Wunder ins Leben schickt. Manchmal ist diese Liebe so stark, dass ich das Gefühl habe, der Raum brennt und ich es kaum ertragen kann. Mir ist erneut bewusst geworden, was das für ein Geschenk ist. Ja, denn es ist so viel mehr, als die meisten Menschen je erleben werden. Es ist so viel mehr, als dieser irdische Spielplatz, auf dem Menschen kommen und gehen und auf dem sie mehr oder weniger tiefe Spuren hinterlassen.
Ich weiß, dass viele, die mich kennen, nicht mit meinem Leben tauschen möchten, einige würden wahrscheinlich sogar schreiend weglaufen. Und das ist auch verständlich, wenn man nur die äußeren Umstände sieht. Aber diese unglaubliche Liebe, die nichts mit Romantik und anderem Schnickschnack zu tun hat, sie lässt mich immer wieder aufstehen, sie ist mein Halt, wenn der Boden unter meinen Füßen einbricht, sie hält mich auch dann, wenn ich vor Schmerzen kaum noch atmen kann und sie wird auch dann noch da sein, wenn ich längst diesen Körper verlassen habe.
Bis dahin werde ich gut auf mich aufpassen, besonders auf meinen Körper, der so viel Leid erfahren musste, den ich selbst oft brutal geschunden habe, damit er anderen gefällt und ich nicht wieder gedemütigt werde. Damit ich geliebt werde. Alles Schein und Illusion. Das ist jetzt vorbei, denn ich habe in der Tiefe erkannt, wie ich wahrhaftig geliebt werde, so wie ich bin. Und ich schaffe es dank dieser gefühlten Liebe immer ein Stückchen mehr, mich nun endlich selbst anzunehmen, damit gewisse Spiegel aus dem Außen künftig nicht mehr notwendig sind, um mir meinen Mangel zu zeigen.
Das Datum heute, es hat dank ausdauerndem ‚Alles was da ist fühlen‘ und Reflektieren schon viel von dem Schrecken, dem Trauma verloren, welches vor einem Jahr stattfand. Ich bin gewachsen, wurde auf heilsame Weise gehäutet und erneuert. Und es ist meine Absicht, dieses Leben nun würdevoll mit mir und für mich zu leben und es auch eines Tages in Würde zu beenden. Als die Königin meines wunderbaren inneren und auch äußeren Reiches, welches ich mir selbst erschaffen habe. Und sollte es ganz menschlich noch einmal Demütigungen, Verrat oder Heuchelei regnen, so werde ich mich lächelnd daran erinnern, wie sehr ich geliebt bin, besonders von einer Seele, die eins mit mir ist, damit also auch von mir selbst und ich werde meinen Regenschirm aufspannen, ein fröhliches Lied pfeifen (Always Look on the Bright Side of Life…) 😊und meinen ureigenen Weg des Herzens weitergehen.
Ich möchte mich heute noch einmal bei den Menschen bedanken, die mir vor einem Jahr beigestanden haben, für all die Hilfe und das Verständnis, die ehrlichen Worte, die kleinen Geschenke und Umarmungen. Danke ebenso an die lieben Seelen, die mich nun auch durch dieses Jahr begleitet und meine vielschichtigen Emotionen ausgehalten haben. Danke für Eure Loyalität! (Bitte nicht gleichsetzen mit parteiisch!!!) Ihr seid so wunder- und wertvoll für mich und mein größter Wunsch ist es, Euch mit diesen Zeilen zu berühren.
Eure Petra
Dieses Video von mir ist zwar schon etwas älter, aber es passt zu der Energie meines Textes.
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